Point de vue narratif (Erzählperspektive)
Einleitung
Wenn man einen erzählenden Text analysiert, bezeichnet man ihn im Französischen als narration. Der narrateur ist die (meist fiktive, aber manchmal reale) Person, die die Geschichte erzählt: der Erzähler. Autor und Erzähler sollten nicht verwechselt werden. Manchmal können sie dieselbe Person sein (Autobiografie), aber meistens denkt sich der Autor einen Erzähler aus, der den erzählenden Text übernimmt. Der Autor spielt also keine Rolle, wenn man über Erzählperspektive redet.
Was ist das Verhältnis des Erzählers zu der erzählten Welt? Ist er Teil der Handlung? Was weiß er? Im Französischen unterscheidet man drei verschiedene Erzählperspektiven.
Point de vue omniscient – auktoriale Erzählperspektive
Der auktoriale Erzähler weiß alles und kennt auch die Gedanken, Meinungen und Gefühle der Personen, die in der Erzählung vorkommen. Auch die Zusammenhänge und Hintergründe sind dem auktorialen Erzähler bekannt. Er ist in der Lage, über die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft zu berichten, und sich zwischen verschiedenen Orten zu bewegen. Dadurch weiß der Leser mehr als die Figuren in der Erzählung.
- Beispiel:
- Elle marchait dans la rue et pensait à son chien, Dagobert. Cela lui faisait mal de le voir si malade et elle espérait qu’il serait bientôt guéri. Ce qu’elle ne savait pas, c’est que Dagobert était rétabli depuis un bon moment et qu’il sautait partout dans le jardin.Sie ging die Straße entlang und dachte an ihren Hund Dagobert. Es tat ihr in der Seele weh, ihn so krank zu sehen und sie hoffte, dass er bald wieder gesund sein würde. Was sie nicht wusste: Dagobert ging es längst besser und er sprang fröhlich durch den Garten.
Point de vue interne – personale und Ich-Perspektive
Bei dieser Erzählerperspektive werden die Dinge aus der Sicht einer Figur geschildert. Der Erzähler kann Teil der Geschichte sein, dann handelt es sich um einen Ich-Erzähler. Das muss jedoch nicht notwendigerweise der Fall sein. Der Erzähler kann nämlich die Geschichte in der 3. Person aus der Sicht einer Figur erzählen. In diesem Fall weiß der Leser genauso viel wie diese Figuren.
- Beispiel:
- Je n’arrivais toujours pas à le croire. Lisa était bel et bien enceinte et elle ne m’avait rien dit ! Je ne savais pas s’il serait possible de continuer avec le groupe. En fin de compte, il est difficile de devenir un chanteur de rock célèbre avec un enfant sur scène.Ich konnte es immer noch nicht glauben. Lisa war tatsächlich schwanger und hatte mir nichts gesagt! Ich wusste nicht, wie es mit der Band weitergehen konnte. Schließlich kann man schlecht ein berühmter Rocksänger werden mit einem Kind auf der Bühne.
Point de vue externe – neutrale Erzählperspektive
Bei dieser Erzählperspektive ist es so, dass der Erzähler nicht selbst als Figur in der Geschichte vorkommt, keine Meinung abgibt und auch keinen Einblick in das Innenleben der Figuren hat. Es handelt sich lediglich um eine neutrale Schilderung der Vorgänge. Der Leser weiß also weniger als die Figuren.
- Beispiel:
- Il entra dans la pièce en faisant claquer la porte derrière lui et cria : « Arrête de me donner des ordres ! » Laura ne répondit pas et quitta la pièce.Er betrat den Raum, knallte die Tür hinter sich zu und schrie: „Hör endlich auf, mir Vorschriften zu machen!“ Laura antwortete nicht und verließ den Raum.
Info
Mehrere Erzählperspektiven können in einem Text aufeinanderfolgen. Ein Roman kann zum Beipsiel mit einer neutralen Erzählperspektive anfangen, danach mit der auktorialen Erzählperspektive fortfahren oder die personale Erzhälperspektive einschlagen. Jede Erzählperspektive hat ihre besonderen Eigenschaften, die der Autor nach eigenem Ermessen nutzen kann.
Es kommt selten vor, dass ein ganzer Roman in neutraler Erzählperspektive geschrieben ist.
Erzähler spricht in der 1. Person – ich
Der Erzähler ist am Geschehen beteiligt und erzählt die Geschichte aus seiner Sicht (ich). Es handelt sich um eine begrenzte Erzählweise, da der Leser nur das erfährt, was der Erzähler selbst erlebt. Diese Erzählperspektive zieht den Leser jedoch oft stärker in den Bann der Geschichte, weil persönliche Erlebnisse, Erfahrungen und Geheimnisse mit ihm geteilt werden.
- Beispiel:
- Marcel Proust, À la recherche du temps perdu
Erzähler spricht in der 3. Person – er/sie
Der Erzähler ist am Geschehen unbeteiligt, er erzählt die Geschichte in der 3. Person (er, sie). In den meisten Fällen handelt es sich um einen allwissenden Erzähler, der einerseits von Szene zu Szene springt, andererseits aber auch genau weiß, was in der Hauptperson (und ggf. weiteren Charakteren) vorgeht.
- Beispiel:
- Stendhal, Lucien Leuwen
Seltener handelt es sich um einen personalen Erzähler, der die Geschichte zwar in der 3. Person erzählt, jedoch nur aus der Sicht der Hauptperson.
- Beispiel:
- Flaubert, Madame Bovary